Als ich mit der Recherche zu (Kuh-)Milch begonnen habe, ahnte ich schon: Es ist kompliziert. Denn ich hatte Zweifel, ob Kuhmilch wirklich des Teufels ist und alternative Milchgetränke immer nur gut. Also lasst uns einsteigen und erst einmal verstehen, wie unsere Milchmärkte aussehen, wie die verschiedenen Haltungsformen ausgestaltet sind und ob Milchalternativen wirklich Alternativen sind.
Kuhmilch
Kuhmilch in Deutschland (2021)
- 3,8 Mio. Milchkühe, die jeweils
- 8.488 Kilo Milch im Jahr geben, leben auf
- 54.800 Betrieben, die
- 32,5 Mio. Tonnen Milch pro Jahr produzieren. Davon gehen
- 50 % (16,8 Mio. t) in den Export,
- 40 % (13,3 Mio. t) in den Lebensmitteleinzelhandel und
- 10 % (3,3 Mio. t) in die weiterverarbeitende Industrie.
Nicht wundern, die Zahlen gehen nicht ganz auf, da ich kleinere Positionen vernachlässigt habe. Alle Zahlen und noch einige mehr gibt es hier.
Der gesamte Jahres-Milchverbrauch von 29,4 Mio. Tonnen in Deutschland setzt sich aus 16,6 Mio. Tonnen Inlandsproduktion plus 12,8 Mio. Tonnen Importen zusammen.
Pro-Kopf-Verbrauch
Jede*r Deutsche konsumierte 2022 statistisch
- 46,1 Kilo Konsummilch,
- 24,6 Kilo Käse,
- 5,3 Kilo Butter und
- 610 Gramm Eiweißerzeugnisse (Sportlernahrung, Schmelzkäse, Backmischungen)
Das sind die niedrigsten Werte, seit diese Daten erfasst werden. Die Deutschen reduzieren also ihren Kuhmilchkonsum weiter. Einzig die Eiweißerzeugnisse zeigen ein starkes Wachstum. (Quelle: BLE)
Hingegen steigt die weltweite Nachfrage nach Kuhmilch weiter stark. Insbesondere importiert China viel Kuhmilch, allein 2021 waren es über 20 Mio. Tonnen.
Haltungsformen
Die meisten Kühe werden in Deutschland dort gehalten, wo es viel Grünland gibt. Fast die Hälfte aller Kühe stehen in Bayern und Niedersachsen.
Etwa 87 Prozent aller Milchkühe standen 2020 in offenen Laufställen, 11,5 Prozent in Anbindehaltung.
Nur 31 Prozent haben im Schnitt sechs Monate im Jahr Weidegang, wobei eher kleine und mittelgroße Betriebe mehr Weidegang haben als die großen Betriebe mit über 200 Tieren.
Milch, die von den Molkereien als „Weidemilch“ vermarktet wird, stammt übrigens von Kühen, die im Laufe des Jahres an mindestens 120 Tagen mindestens sechs Stunden auf der Weide waren.
Alle üblichen Haltungsformen ausführlich.
Ökobilanz der Haltungsformen
2021 hat das Umweltbundesamt eine Studie beauftragt, die die Ökobilanz verschiedener Formen der Milcherzeugung in Deutschland untersucht hat.
Die Ergebnisse:
- Milchproduktion mit Weidegang ist besser für die Umwelt als Produktion mit ausschließlicher Stallhaltung.
- Ökologische Betriebe produzieren Milch fast immer umweltfreundlicher als ihre konventionelle Konkurrenz.
- Die geringsten Umweltwirkungen haben Ökobetriebe mit Weidegang, während konventionelle Betriebe mit reiner Stallhaltung die höchsten Umweltschadenskosten verursachen.
Die Studie zeigte, dass die Futterproduktion für die Umweltwirkung ein großer Einflussfaktor ist. Bei der konventionellen Milchherstellung ist die Bereitstellung des Futters verantwortlich für 18 bis 34 Prozent der Treibhausgasemissionen der Milch und damit der Haupttreiber für die Klimawirkung.
Bei der ökologischen Produktion sind es nur 6 bis 20 Prozent, also ein bis zwei Drittel weniger.
Bei den direkten Verdauungsemissionen der Rinder schneidet die ökologisch produzierte Milch hingegen schlechter ab. Der Grund: Die einzelne Kuh gibt weniger Milch als die vergleichbare Kuh in konventioneller Haltung. Dadurch ist der Anteil der Verdauungsemissionen pro Kilogramm Milch höher. (Quelle: UBA)
Den Abschlussbericht zu dieser Studie kannst du hier herunterladen.
Trennung von Mutterkuh und Kalb
Wenn Milchkühe gehalten werden, möchte man selbstredend die Milch nutzen. Da ist es kontraproduktiv, wenn ein Kalb mittrinken möchte. Daher werden in der konventionellen Milchproduktion die Kälber sofort oder spätestens nach ein paar Tagen von den Müttern getrennt.
Die Kühe gehen zurück in die Herde und damit in die Milchproduktion, die Kälber werden abgesondert und mit Nuckeleimern gefüttert. Die hierin genutzte Milch wird meist aus Milchpulver hergestellt.
Wenn die Kälber im Milchviehbetrieb nicht benötigt werden, gehen sie an spezialisierte Mastbetriebe, wo sie bis zur Erreichung der Schlachtreife bleiben. Was mit den Kälbern passiert, kannst du hier nachlesen.
In diesem Zusammenhang fand ich es spannend zu lesen, was eigentlich Landwirte sagen, wenn es um die Trennung von Mutterkuh und Kalb geht.
Im Bio-Landbau und in der Weidehaltung gibt es verschiedene Ansätze, wie mit den Kälbern umgegangen wird. In diesem Artikel findest du unten einige interessante Links zu verschiedenen Initiativen und Konzepten.
Kuhmilch in den Supermärkten
Milch gehört zu den sogenannten Schlüsselprodukten in den Supermärkten. Zu ihnen gehören unter anderem auch noch Mehl, Waschmittel, Klopapier oder Butter. Anhand der Schlüsselprodukte beurteilen Verbraucherinnen und Verbraucher das generelle Preisniveau eines Supermarktes und wählen danach ihre Einkaufsstätte aus.
In der Vergangenheit haben die mächtigen Supermarktkonzerne massiven Druck auf Milchproduzenten und Molkereien ausgeübt, um den Milchpreis möglichst gering zu halten. Und immer wieder werden Milchprodukte medienwirksam im Preis gesenkt, um Käuferinnen und Käufer anzulocken.
Dieser Druck und die Marktentwicklungen der letzten Jahre haben verschiedene Auswirkungen:
Das Höfesterben unter den Milchviehbetrieben, die zu den Preisen, die sie mit Milch erzielen konnten, nicht mehr existenzsichernd wirtschaften konnten. Tausende Betriebe gaben in den vergangenen Jahren auf. Gerade kleinere Betriebe verschwinden, große, konventionelle Betriebe können noch existieren.
Die Produktion von Kuhmilch ist in einem sehr hohen Maß prozess- und damit kostenoptimiert. Von den Hochleistungskühen mit nie dagewesener Milchleistung, über hocheffiziente Betriebe und Weiterverarbeitungsketten, bis zu steigenden Exportanteilen. Ein wichtiger Punkt, wenn wir weiter unten noch auf die Milchalternativen zu sprechen kommen.
Umweltkosten, die im direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Milchproduktion stehen (siehe die oben erwähnte Studie), werden nicht eingepreist. Diese Kosten trägt also die gesamte Allgemeinheit und nicht die Produzenten, Handel und Konsumierende.
Zwischenfazit Kuhmilch
Halten wir kurz fest:
Kuhmilch verursacht Umweltschäden durch die Viehhaltung, insbesondere die Fütterung mit Futtermitteln, die weltweit produziert werden. Damit verursacht der Futtermittelanbau in anderen Ländern, wie Brasilien, massive und oft irreparable Umweltschäden.
Die Viehhaltung ist nicht immer artgerecht und führt zu Tierleid. Dies schließt natürlich die Milchkühe und Kälber ein, aber auch das Mastvieh, welches unweigerlich durch die Milchwirtschaft entsteht.
Kuhmilch ist zu billig. Weder die Landwirte können gut davon leben, noch spiegeln die Preise die tatsächlichen Produktions- bzw. Umweltkosten wider. Dies gilt heute übrigens sowohl für konventionell produzierte Milch als auch für Bio-Milch aus dem Supermarkt. Hinzu kommt, dass Kuhmilch, im Gegensatz zu den Milch-Alternativen, nur mit sieben Prozent Umsatzsteuer besteuert wird. Die Alternativen werden mit 19 Prozent versteuert.
Die Zahlungsbereitschaft für einen angemessenen Milchpreis ist offensichtlich bei nur wenigen Deutschen vorhanden. Gerade Krisenzeiten zeigen, dass dann trotz besseren Wissens, die Menschen wieder zu den günstigen Produkten greifen (müssen).
Was ich noch nicht angesprochen habe, ist der Gesundheitseffekt von Kuhmilch. Es gibt viele verschiedene Untersuchungen und wohl noch mehr Meinungen dazu, ob wir Kuhmilch benötigen oder nicht. Da es schon seit Jahrhunderten Kulturen gibt, die keine Kuhmilch konsumiert haben und gut lebten, denke ich, dass Kuhmilch verzichtbar ist. Ausführlich dazu dieser Artikel von Quarks.
Der Wunsch, Milch und Milchprodukte zu konsumieren, ist nachvollziehbar. Doch sollte jede*r von uns wissen, wie Milch produziert wird und welche Auswirkungen dies hat. Wenn du noch mehr dazu lesen möchtest, wie die Milchlobby in Deutschland vorgeht, dann bitte hier entlang.
Man kann nun versuchen, Milch direkt von einem nachhaltig wirtschaftenden Betrieb zu bekommen. Doch nicht viele von uns haben einen solchen Hof, der auch direkt vermarktet, in der Nachbarschaft.
Eine weitere Möglichkeit ist, Bio- oder Weidemilch (ebenso Käse, Joghurt etc.) zu kaufen, möglichst aus der eigenen Region.
Konventionell hergestellte Milch, Butter, Käse oder andere Milchprodukte sollte man ganz vermeiden. Es gibt, auch für Milchprodukte, mittlerweile viele vegane Alternativen, die man vorurteilsfrei probieren sollte. Allerdings nicht, ohne einen kritischen Blick auf deren Zutatenliste zu werfen.
Milchalternativen
In den vergangenen Jahren haben sich einige Alternativen zur Kuhmilch etabliert.
Sojamilch
Häufig wird unterstellt, dass das Soja für die hier verkauften Sojadrinks dazu beiträgt, dass der Regenwald im Amazonas zerstört wird. Es ist richtig, dass Brasiliens Urwälder auch für den Sojaanbau abgeholzt werden. Doch dieses Soja wird überwiegend als Futtermittel in der Massentierhaltung verwendet, was eher gegen konventionell produzierte Kuhmilch spricht (siehe oben).
Für bei uns vermarktete Sojadrinks, insbesondere, wenn sie Bio sind, wird überwiegend Soja aus Kanada, Europa und auch vermehrt aus Deutschland verwendet.
Und Sojamilch wird oft aus den Resten der Ölproduktion hergestellt, was die Ökobilanz der Sojamilch weiter verbessert.
Sojadrinks können also durchaus eine Alternative zur Kuhmilch sein.
Mandelmilch
Für Mandelmilch sieht die Bilanz schon nicht mehr so gut aus. Die größten Anbaugebiete (klassische Monokulturen) liegen in Kalifornien, sodass sich hier lange Transportwege negativ auswirken. Man könnte allerdings auf Mandeln aus Europa (Spanien, Italien) zurückgreifen. Doch muss man bedenken, dass für nur ein Kilo Mandeln rund 10.000 Liter Wasser aufgewendet werden müssen. Und das ist für die trockenen Anbaugebiete in Kalifornien und dem Mittelmeerraum extrem schädlich.
Fazit Mandelmilch: Eher nicht kaufen, da die CO₂-Bilanz schlecht ist.
Haferdrinks
Das robuste Getreide stammt meist aus Europa, oft aus Deutschland und immer mehr von Bio-Betrieben. Stellt man Wasserverbrauch, CO₂-Emissionen und den Flächenverbrauch für die Produktion eines Liters Kuhmilch oder Haferdrink nebeneinander, ergibt sich dieses Bild:
Wasserverbrauch | CO₂-Emissionen | Flächenverbrauch | |
Kuhmilch | 628 L/L | 3,2 kg/L | 8,9 m²/L |
Haferdrink | 48 L/L | 0,9 kg/L | 0,8 m²/L |
Haferdrinks sind eine gute Alternative zur Kuhmilch. Und das Beste daran ist, dass man sich seine Hafermilch ganz einfach selbst herstellen kann.
Anmerkung: Getreide-Drinks lassen sich auch aus Dinkel oder Hirse herstellen.
Lupinen- und Erbsendrinks
Das Angebot bei beiden Alternativen ist im Handel noch klein. Doch beide Hülsenfrüchte können bei uns angebaut werden, sind anspruchslos und weisen einen hohen Eiweißgehalt auf. Beide Varianten kann man ganz einfach selbst herstellen.
Hanfmilch
Hanf ist in vielen Bereich auf dem Vormarsch: in der Ernährung, bei Baumaterialien, für Textilien und noch einiges mehr. Er lässt sich ebenfalls zu einer Milch-Alternative verarbeiten. Vorteil, insbesondere beim Selbermachen: Beim Einsatz von geschältem Hanf, muss die Milch nicht gefiltert werden, wie die anderen Möglichkeiten.
Zwischenfazit Milch-Alternativen
Für fast jeden Geschmack ist etwas dabei. Doch sollte man nicht erwarten, dass diese Alternativen immer hundertprozentig wie Kuhmilch schmecken. Es gibt schon Unterschiede, die nicht jede*r mag. Und auch als Barista gerät man manchmal an seine Grenzen, wenn kein stabiler Schaum für den Latte macchiato entstehen will.
Gesund sind die Alternativen immer und oft eine Lösung bei Lebensmittelunverträglichkeiten.
Bei der CO₂-Bilanz gibt es aufgrund von Produktionsort und Wasserverbrauch große Unterschiede.
Preislich liegen diese Drinks fast immer weit über Kuhmilch, teilweise wird im Handel das Dreifache verlangt. Das Magazin “brand eins” hat in einem lesenswerten Artikel die Zusammensetzung der Ladenpreise für Haferdrinks und Kuhmilch gegenübergestellt. Dabei wurde deutlich, dass die Kuhmilch viel zu billig ist. Sie müsste 122 Prozent, also über doppelt so teurer sein, würde man die Umweltkosten verursachungsgerecht zuweisen.
Für eine steuerliche Gleichstellung mit der Kuhmilch müsste auch für die Milch-Alternativen der verminderte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent gelten. Oder für Kuhmilch müssten ebenfalls 19 Prozent veranlagt werden, wie für die Alternativen.
Die Hersteller der Haferdrinks kämpfen derzeit noch damit, ihre Produktionen ähnlich effizient zu gestalten, wie es die Milchindustrie schon seit Jahrzehnten tut. Sie sind auf einem Weg, aber noch lang nicht dort, wo die langjährigen Player bereits sind.
2018 hat die Albert Schweitzer Stiftung die Ökobilanzen von Pflanzenmilch verglichen. Ein guter Überblick.
Fazit
Es gibt viele Alternativen zur Kuhmilch, mit denen man zwar nicht direkt den Klimawandel aufhalten kann (da sind andere Maßnahmen effektiver), die aber auch dazu beitragen, dass weniger Umweltbelastungen stattfinden und Tierleid vermieden wird.
Problematisch an den industriell hergestellten Alternativen sind oft die Zusatzstoffe, die zugesetzt werden. Wer also Milch-Alternativen im Supermarkt kaufen möchte, sollte genau auf die Zutatenliste schauen.
Eine letzte Anmerkung: Im Handel dürfen die Milch-Alternativen nicht mehr als “Milch” bezeichnet werden. Hier hat die Milch-Lobby erfolgreich interveniert, sodass diese Produkte nun als z. B. “Drink” bezeichnet werden müssen.
Der große Vorteil vieler Milch-Ersatz-Drinks ist, dass sie einfach selbst herzustellen sind. Dazu dann mehr in unseren Tipps.
Welche Milch-Alternativen hast du schon probiert? Und welche haben dir geschmeckt? Ich freue mich auf deine Erfahrungen, unten in den Kommentaren.