Unser Wirtschaftssystem folgt dem olympischen Grundsatz „höher, schneller, weiter“. Ohne ständiges und unendliches Wirtschaftswachstum könne es nicht gehen, sagen die Befürwortenden.
Das Problem: Endliche Ressourcen
Doch schon simple Logik macht deutlich: in einem endlichen System wie unserer Erde ist ein unendliches Ressourcen-Wachstum nicht möglich. Das bisherige Wachstum konnten wir Industrieländer so positiv für uns gestalten, weil es auf Kosten anderer Menschen auf der Erde stattfindet. Heute verbrauchen die 1,2 Milliarden ärmsten Menschen ein Prozent der Ressourcen. Die eine Milliarde der reichsten Menschen, zu denen wir gehören, verbrauchen 72 Prozent. Gerecht geht irgendwie anders, oder?
Der Erdüberlastungstag
Wie deutlich der übermäßige Ressourcenverbrauch durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise ist, zeigt sehr anschaulich der „Earth Overshoot Day“ oder Erdüberlastungstag. An diesem Tag sind die Ressourcen des Planeten aufgebraucht, d.h. ab diesem Zeitpunkt hat die Weltbevölkerung mehr natürliche Ressourcen verbraucht, als bis Ende des gleichen Jahres wieder nachwachsen können. Diesen denkwürdigen Tag konnten wir 2023, gemeinsam mit allen Menschen auf der Erde, am 2. August 2023 „feiern“.
Natürlich gibt es auch für jedes Land einen eigenen Erdüberlastungstag. Wir Deutschen durften diesen Tag schon am 4. Mai 2023 begehen, also noch weit vor dem Rest der Welt. Würden also alle Menschen so leben, wie wir Deutschen, bräuchten wir drei Erden.
Für dieses Jahr ist unser Country Overshoot Day für den 2. Mai 2024 prognostiziert. Besserung wäre also nicht in Sicht.
Eine Lösung: Kreislaufwirtschaft
Wirtschaft und Politik weltweit versuchen heute, die Ressourceneffizienz zu erhöhen. Ein Hebel dafür ist die Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy. Ziel hierbei ist es, Produkte und Materialien so zu gestalten, dass sie möglichst geringe Ressourcen benötigen, die möglichst lange im Wirtschaftskreislauf gehalten werden.
Produkte sollen langlebig, reparaturfähig, mehrfach und verschieden nutzbar und ihre Komponenten recyclingfähig oder umweltfreundlich zu entsorgen sein. Es geht also bei der Kreislaufwirtschaft um ein nachhaltiges Wirtschaften bei maximaler Ressourceneffizienz.
Die Geschäftsmodelle der Unternehmen sollen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft durch sogenannte R-Strategien angepasst werden.
Warum erzähle ich dir das alles?
Bis hierher beschreibt dieses Modell Strategien für Unternehmen, die sich der Herausforderung Kreislaufwirtschaft stellen. Ich denke aber, dass dieser Rahmen auch für uns Konsument:innen anwendbar ist und uns gute Hinweise liefert, was wir tun können.
R-Strategien für Konsument:innen
R0 Refuse – Ablehnen
Im Gegensatz zu Unternehmen, die etwas verkaufen müssen, können wir den Kauf, die Nutzung oder den Verbrauch von Produkten verweigern. Wir konsumieren schlicht nicht mehr.
- Du schaffst dein Auto ab und gehst zu Fuß
- Du kaufst keine stark verarbeiteten Lebensmittel mehr, sondern machst sie selbst
- Du verzichtest auf den Kauf von Waschmittel und Weichspüler und mischst es selbst
R1 Rethink – Umdenken
Wir können durch gute Pflege die Lebensdauer von Produkten verlängern. Oder wir leihen, statt zu kaufen. Autos, Werkzeuge, Kameras, Drohnen und noch vieles mehr kann man bereits zeitweise nutzen, ohne sie selbst zu kaufen. Und ebenso wie wir uns etwas ausleihen, können wir auch unsere Dinge an andere ausleihen (Sharing). So kann ein Produkt von viel mehr Menschen genutzt werden, anstatt nur im Keller oder im Schuppen zu liegen.
R3 Reduce – Reduzieren
Dies ist ein riesiger Bereich, in dem wir unseren Konsum senken können.
- Brauche ich zu jeder Mahlzeit Fleisch?
- Sollte ich wirklich jeden Modetrend mitmachen?
- Muss ich jedes Wochenende nach Mallorca oder lange Wochenendausflüge mit dem Auto ans Meer unternehmen?
- Wo ist eigentlich der nächste Unverpackt-Laden?
R4 Repair – Reparieren
Gerade wurde ein „Recht auf Reparatur“ gesetzlich festgelegt, damit Produkte nicht entsorgt werden, obwohl eine Reparatur möglich und sinnvoll wäre.
Auch können wir selbst mehr reparieren, als wir oft denken. YouTube-Videos können hier eine große Hilfe sein oder auch Repair-Cafés helfen dabei, den Toaster wieder zum Laufen zu bringen.
Oder du schaust auf den Webseiten von kaputt.de, wie dir mit deinem defekten Gerät geholfen werden kann.
R5 Refurbish – Überarbeiten
Beim Refurbishing werden Produkte durchgecheckt, repariert, auf den neuesten Stand der Technik gebracht und gereinigt. Dadurch wird ihre Lebensdauer verlängert und man bekommt vormals teure Produkte für sehr viel weniger Geld.
Anbieter, die sowohl refurbished Geräte ver-, als auch ankaufen, sind zum Beispiel: refurbed, refurbishedstore.de, BackMarket, rebuy, asgoodasnew und noch viele mehr. Auch bei Apple, Saturn oder Conrad gibt es die überarbeiteten Produkte.
Du selbst kannst natürlich auch aktiv werden und zum Beispiel Möbel überarbeiten und ihnen neuen Glanz verleihen.
R6 Remanufacture – Refabrikation
Bei der Refabrikation sollen vollständig intakte Komponenten wieder in die Produktion neuer Produkte zurückkehren. Die Anwendungsfelder für uns Verbraucher:innen sind hier im Grunde nicht gegeben, da wir nicht oder nur für den Eigenbedarf produzieren.
R7 Repurpose – Umnutzen
Die Umnutzung kennen wir häufig als Upcycling. Hierbei geben wir Produkten ein zweites Leben als etwas anderes. Die Flasche wird zur Vase, die Plane zur Tasche, Bücher zu Messerblöcken. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wir vermeiden Müll und bestenfalls auch den Kauf von neuen Produkten.
R8 Recycle – Recycling
Wir können nicht nur eigene Produkte recyceln, zum Beispiel aus Kerzenstummeln neue Kerzen gießen. An dieser Stelle sollten wir auch immer versuchen, recycelte Produkte zu kaufen. Vom Klopapier, über Verpackungen bis zu Kleidung finden wir heute viele Produkte, die aus Abfällen hergestellt wurden. Wenn wir dabei helfen wollen, Müll zu vermeiden, müssen diese Produkte auch Abnehmer finden. Uns!
R9 Recover – Retten
„Recover“ in der eigentlichen Bedeutung der R-Strategien ist dies die letzte Stufe, wenn Produkte oder Materialien energetisch verwertet, sprich verbrannt werden. Aus ihnen wird dann zumindest noch Energie gewonnen.
Für uns Verbraucher:innen möchte ich diesen Begriff gern etwas umdeuten, denn „recover“ kann auch als „retten“ übersetzt werden.
Wir können Produkte auch retten. Viele Menschen tun das, indem sie containern, also essbare Lebensmittel aus den Abfall-Containern der Supermärkte stehlen.
Du kannst aber auch die App TooGoodToGo nutzen und im Handel unverkaufte Lebensmittel retten. Noch mehr Apps rund um Essen & Trinken und Einkaufen findest du hier.
Last but not least kannst du dich beim Foodsharing engagieren. Wenn du dein Essen teilen möchtest, damit es nicht weggeworfen wird, kannst du es dort weitergeben. Oder du wirst Fairteiler und unterstützt die Organisation noch umfassender.
Fazit
Ich möchte es noch einmal ganz ausdrücklich sagen. Die Transformation unserer Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft muss von Unternehmen und Politik gestaltet werden. Wir Konsument:innen können unseren Beitrag wie oben beschrieben leisten, aber allein durch ein geändertes Konsumverhalten diesen Prozess nicht allein stemmen.
Manche von uns können den Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft im Job aktiv gestalten. Viele von uns jedoch nicht. Das entlässt uns nicht aus der Verantwortung. Doch die Kräfte sind sehr unterschiedlich verteilt. Dazu hatte ich hier bereits etwas geschrieben.
Sicherlich wird diese Transformation zur Kreislaufwirtschaft nicht ohne neue Gesetze, Vorschriften und Verordnungen möglich sein. Denn wir wissen, wie erfolgreich die Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft in der Vergangenheit gewesen sind. Ich bin keine Freundin solcher Regulierungen, doch bin ich bereit, diese auch in meinem Leben in Kauf zu nehmen, wenn wir es dadurch gemeinsam schaffen, unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.
Wir brauchen nicht eine Handvoll Leute, die „Nachhaltigkeit“ perfekt umsetzen. Wir brauchen Millionen von Menschen, die es unperfekt machen.
Unbekannt
Welche Ideen hast du zu Kreislaufwirtschaft und den R-Strategien? Ich freue mich auf deine Gedanken dazu in den Kommentaren.